Über Samen und Sorben. Rückblick auf den Film- und Diskussionsabend „Menschen am Rande der Welt – Ärger im Paradies“

 

Bericht von Caroline Frenzel

Was haben diese beiden Bevölkerungsgruppen miteinander zu tun, mag sich der ein oder andere jetzt fragen. Die Antwort lautet: einiges!

Am 18.03.2014 fand in der Humboldt Graduate School ein Werkstattgespräch zum Thema Bergbau und dessen Folgen statt. Dabei ging es sowohl um Lappland im Norden Skandinaviens als auch um die Region, in der die Sorben beheimatet sind – eine Region, die sich in nicht allzu großer Entfernung von Berlin befindet.

Im Rahmen der Filmvorführung der ARTE Dokumentation „Menschen am Rande der Welt“ konnten die Podiumsteilnehmer (Tilmann Bünz, Dr. Tobias Etzold und Dr. Fabian Jacobs) und Gäste einen Einblick in die Schönheit der skandinavischen Natur bekommen. Aber eben nicht nur das. Auch der Ärger im Paradies wurde thematisiert.

Begonnen hat der Abend mit dem dritten Teil einer Dokumentationsreihe, die vom NDR und ARTE im Rahmen „Länder Menschen Abenteuer“ gezeigt wird. Der Dreiteiler ist ein Projekt des Filmemachers Tilmann Bünz, der nicht nur die Flora und Fauna des Nordens visuell in die deutschen Wohnzimmer bringen wollte. Es geht ihm vor allem um die Menschen, die an entlegenen und einsamen Orten und dennoch nicht in unbewohnbaren Gegenden Skandinaviens leben.

Der Teil über Lappland und im weiteren Sinne das Siedlungsgebiet der Samen wird am 26.03.14 ausgestrahlt. Die Besucher des Werkstattgesprächs bekamen aber schon am Dienstag einen kleinen Vorgeschmack. So lernt man beispielsweise Ellen kennen, die auf Litløy, einer Insel weit außerhalb des norwegischen Festlandes wohnt. Eigentlich lebt sie dort alleine auf ihrem Leuchtturm. Eigentlich. Denn Ellen hat viele Helfer, die ihr während des harten Winters und arbeitsreichen Sommers zur Hand gehen. Auch den Wintermarkt von Jokkmokk (Jokkmokks Vintermarknad) lernt man in diesem Film kennen. Er besteht seit mehreren hundert Jahren und ist Anziehungspunkt für Menschen aus vielen Teilen der Welt. Was Bünz mit seinem Film aber eben auch zeigen möchte, ist die andere Seite der Medaille (evtl: die dunklere Seite des Paradieses). Eine Demonstration auf dem Vintermarknad bringt den Zuschauer zu aktuellen Problemen der Samen in Nordschweden. Tradition und Gegenwartsproblematik liegen plötzlich eng beieinander.

Aufgeworfene Fragen zur aktuellen Situation für Minderheiten in Schwedisch Lappland und der Lausitz bildeten den Anfang einer Diskussionsrunde mit dem Filmemacher und dem zweiten Podiumsgast Dr. Fabian Jacobs, der sich am Sorbischen Institut in Bautzen mit vergleichender Minderheitenforschung beschäftigt. FOR:N-Mitglied Dr. Tobias Etzold leitete die Gesprächsrunde, an der auch die Gäste der Veranstaltung rege teilnahmen und teilweise sehr emotional und mit persönlichen Erfahrungen Stellungnahmen.

Während einer gut einstündigen Diskussion wurde deutlich, dass der Bergbau nicht nur ein Problem für die Umwelt ist, sondern auch die Samen in ihrer uralten Tradition einschränkt, der Rentierzucht, die einen wichtigen Teil ihrer Kultur darstellt. Sie kennt keine Landesgrenzen, denn Sápmi, das Siedlungsgebiet der Samen reicht im Süden bis nach Røros in Ostnorwegen, beginnt an der Westküste ungefähr bei Trondheim, erstreckt sich dann die gesamte norwegische Küste entlang über Narvik und Lofoten (wo Teile des Films entstanden), Tromsø und Kirkenes bis zur russischen Grenze. Auf russischem Territorium umfasst es den Nordteil der Kolahalbinsel mit Murmansk. Die existierenden und geplanten Gruben zerstören die einzigartige Natur, die dadurch ihr Gesicht verändert. Diese Entwicklung haben schon viele sorbische Bewohner in ihrer Heimatregion erfahren. Dorumsiedlungen durch den Tagebau haben die Umgebung verändert, können jedoch auch positive Nebenwirkungen haben. Fabian Jacobs spielt dabei auf die Beziehungsnetze untereinander an. Die Kontakte werden beibehalten oder gestärkt und so verliert die Bevölkerungsgruppe nicht ihren Zusammenhalt. Ein weiteres Problem, welches in der Diskussion auch von Zuschauern gesehen wird: Was wird nach der Förderung aus der Region? Man kann die Natur nicht einfach sich selbst überlassen, nachdem sie verwundet wurde. Oft ist es den ausländischen Firmen egal und sie verschwinden nach der Förderung wieder.

Der Abend zeigte allen Beteiligten, dass die Bedürfnisse indigener Völker oft von den Regierungen nicht anerkannt werden und selbst so festgesetzte Rechte, wie der Schutz des Eigentums, der im deutschen Grundgesetz verankert ist, aufgrund staatlicher und wirtschaftlicher Interessen ihre Wirkkraft verlieren können.

Ob Erzabbau in Schweden oder Braunkohlevorkommen in Brandenburg und Sachsen – die Förderung der Bodenschätze beginnt nicht am Tag des ersten Baggerschaufelns. Schon viel früher beginnt der Kampf der indigenen Völker, um ihren Lebensraum, um ihre Natur, für ihre Tiere und vor allem der Kampf für ihre Traditionen.

erstmals erschienen: http://www.kulturhusberlin.de/1129.html